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Regionale Lebensmittel: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit im Supermarkt

Österreich importiert zunehmend Lebensmittel, trotz den deutlichen Verbraucherwünschen nach Regionalität. Politik-Appelle bleiben ungehört.

Österreichs Konsumenten schwärmen für regionale Lebensmittel! Doch ist das wirklich mehr als nur ein Lippenbekenntnis? Die Supermärkte buhlen um die Gunst der Käufer, indem sie mit regionalen Produkten protzen – ja, das schmeichelt dem Image! Doch die Realität sieht anders aus. Kaum jemand denkt daran, so dass die Regale zunehmend mit günstigen Importwaren gefüllt werden, die das „Österreichische“ nicht einmal im Namen tragen! Hier kommt der entscheidende Punkt: Trotz der großen Begeisterung für das Lokale setzen Händler und Gastronomen immer mehr auf Produkte aus dem Ausland. Die glitzernden Versprechen von regionalen Köstlichkeiten sind oft nur ein Schattenspiel. Schaurige Appelle an die Lebensmittelpatriotismus sind mittlerweile in der politischen Wüste verstummt.

Die Lebensmittelimporte erhöhten sich im ersten Halbjahr 2024 wertmäßig um knapp 12 % auf 4,5 Milliarden Euro. Ihre Menge nahm überdurchschnittlich stark um mehr als 10 % zu, zieht Katharina Koßdorff Bilanz. Die Geschäftsführerin des Verbands der Lebensmittelindustrie macht im Handel einen in den vergangenen Monaten deutlich gestiegenen Aktionsanteil von bis zu 40 % aus. Wo bleibt der Antrieb für echte Veränderungen?

Die Kluft zwischen Wünschen und Wirklichkeit

Der Wunsch nach regionaler Verpflegung bleibt unerfüllt – so berichtet nun auch Der Standard. Wenn es darum geht, die Einkaufskörbe zu füllen, stehen die Angebote aus dem Ausland ganz oben auf der Liste – sie sind günstiger! So kommt es, dass immer mehr österreichische Händler auf die kostengünstigen Alternativen zurückgreifen, während die Stimmen der Käufer leise im Hintergrund verklingen. Der Patriotismus in der Ernährung, einst ein wichtiges Thema, scheint nicht mehr als eine Floskel. Die Lockangebote aus dem Ausland übertönen die Rufe nach regionalen Produkten vollständig. Wie viele Konsumenten sind wirklich bereit, mehr für lokale Lieferungen zu bezahlen, wenn die Konkurrenz so verlockend ist?

Traditionell exportiert Österreich mehr, als es importiert. Zwei von drei in Österreich erzeugten Lebensmitteln gehen ins Ausland. Heuer hat sich die positive Außenhandelsbilanz jedoch von 1,2 Milliarden auf 717 Millionen Euro verschlechtert. Die Exporte stagnieren. Dass die Industrie dennoch einigermaßen gut davon kam, verdankt sie Deutschland: Ohne die beständigen Lieferungen ins Nachbarland wären die Ausfuhren um mehr als 2 % gesunken.

Veränderungen dringend notwendig

Koßdorff ortet in ihrer Branche Sand im Getriebe. „Unsere Lebensmittelproduzenten verlieren international preislich an Wettbewerbsfähigkeit.“ Schuld daran seien neben teuren Rohstoffen vor allem die hohen Arbeits- und Energiekosten.

Bürokratische Hürden entschärfen

Koßdorff fordert einmal mehr Lohnnebenkostensenkung und Maßnahmen gegen die „Überregulierung„. Lieferkettengesetz und Entwaldungsverordnung sind für viele Unternehmer ein rotes Tuch ebenso wie EU-Taxonomie und aufwendige Nachhaltigkeitsberichterstattung. Traditionell negativ ist die Agrar-Außenhandelsbilanz, da sich Österreich mit vielen Rohstoffen nicht ganzjährig selbst versorgen kann. Hier stieg das Defizit im ersten Halbjahr 2024 von 200 auf 900 Millionen Euro! Die Exporte sanken im Jahresabstand wertmäßig um mehr als zwei Prozent, die Importe legten zugleich um sechs Prozent zu. An der Menge bemessen wuchsen diese gar um 13 %.

Produzenten unter Druck

Der höhere Importanteil setze österreichische Produzenten unter Druck, warnt auch Christina Mutenthaler-Sipek. Was Exporte betrifft, hebt auch die Geschäftsführerin der AMA Marketing den deutschen Markt hervor, auf den nach wie vor Verlass sei. Freilich versprechen auch deutsche Handelskonzerne Kunden mehr Regionalität, was Lieferanten aus Österreich nicht gerade zuversichtlich stimmt.

Aktueller Einkaufstest

Misstrauisch beäugt werden Importe sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Ein Einkaufstest von Tierschutz Austria nahm kürzlich verarbeitetes Fleisch wie Wurst und Faschiertes ins Visier. Bei vier von fünf günstigen Eigenmarken in Österreichs Supermärkten trage dieses kein unabhängig kontrolliertes Gütesiegel. Defizite bei der Kontrolle sind somit vorprogrammiert, Standards für mehr Tierschutz bleiben auf der Strecke.

Die Preise für Lebensmittel zogen in den letzten Jahren um bis zu 17 Prozent an. Seit Februar liegt ihre Teuerung wieder unter der allgemeinen Inflation. Und das, ist man sich in der Branche einig, wird in absehbarer Zeit auch so bleiben. Hoffentlich!

Ein Bild des Widerspruchs

So wird das Bild immer klarer: Österreichs Supermärkte haben die hohe Kunst des Marketings gemeistert, während die Realität der Einkaufskultur leidet. Ein weit verbreitetes Missverhältnis zwischen Ideal und Alltag zieht sich durch die Lebensmittelbranche. Hält die Politik weiterhin still, bleibt die Frage: Wo bleibt der Zugang zu unseren regionalen Köstlichkeiten?

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